Beitrag für den Podcast «Eine Pause lang» –
enstanden während des Lockdowns 2020 | von Nadja Zela
Bin heute um vier Uhr fünfzig aus einem Traum erwacht. Habe in einer betrieblichen Vollversammlung einem Rede schwingenden Berater einer externen Consultingfirma, einem Typen mit formgegeelten Locken und schnittigem Herrenanzug, alle Schande gesagt, ja, alle Schande aus mir hinausgebrüllt in diese Welt der Consulter, Berater, Aufräumer, effizienzmacher, Experten und deren hilflos folgenden Followers. Gleichzeitig bewusst, wie ich mein eigenes wirtschaftliches Todesurteil mit meinem Geschrei unterzeichne, wie ich meinen Untergang gerade selbst lauthals und vor 100 Zeugen belege, höre ich nicht auf zu brüllen, wie elend das alles hier sei.
Dann hole ich in der Ecke des totenweissen Raums eine Plastikwanne. Vor dem Consulter, während dessen Powerpointpräsentation über Mut machen wollende Effizienzsteigerungsmassnahmen, in der Halle der neonlichtgefluteten Konferenz, schleife ich die riesige Plastikwanne durch die Stuhlreihen. Vor vollversammelter Crew schrubbe ich das hellblaue Gefäss mit der rauen Seite eines Küchenschwamms und reibe das körnig-cremige Putzmittel mit Kraft in dessen Boden hinein. Laut und heftig, befriedigt zur Kenntnis nehmend, wie sich der alte Dreck unter meiner übertrieben ambitionierten Putzattacke in den Ecken langsam löst. Befriedigt auch über das plastikhöhlerne Schrubbgeräusch und dessen provozierendes Störpotenzial in der Vollversammlung während der effizienzsteigernden sparmassnehmenden Rede des Consulters aus einer anderen Stadt in einer anderen Welt. Der Consulter, dem das aufgesetzte Positivismuslächeln unter meinem tosenden Fegelärm zur eiskalten Killerfratze einfriert, fährt mich hart an, sofort mit dem Mist aufzuhören.
Ich wache auf. Atmend, Muskulatur mental zur Lockerung auffordernd; nachdenkend über die Welt. Für einmal nicht nachdenkend über den Tod nach einem dieser Träume, wenns beim Aufwachen draussen noch dunkel ist und in mir drinnen noch dunkler ... Dann plötzlich dieser Geruch im Schlafzimmer, sanft hereinströmend, durch die einen Finger breit aufgestellten Lamellen des Ladens vor dem geöffneten Fenster. Er legt sich wie ein modriges Laken über mein Gesicht, leise und schwer drückt er mir eine Erinnerung ins Bewusstsein. Regen.
Der Geruch von Regen auf dem Asphalt der kleinen Weltstadt. Dieser moosige, feuchtwarme, sich mit den Ölen der aufgeplatzten Pollen mischende Duft des hellgrün saftenden Frühlings. Ich denke erst, ich bilde es mir ein. Dann mit steigender Hoffnung und Neugier spähe ich durch die Lamellen auf die menschenleere Quartierstrasse. Einer dieser Mietroller behauptet forsch seine jämmerliche Daseinsberechtigung mit grell strahlendem Rücklicht mitten auf dem Trottoir. Eine Katze krächzt laut im Gebüsch... der frisch geteerte Asphalt glänzt. Im Strassengraben bilden sich Ränder der Massen heruntergespülter Pollen, die seit Wochen wegen coronärem Flugverbot über die Alleinherrschaft des Luftraums verfügen.
Regen. Endlich Regen.
© Bild: Nadja Zela
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